Das Wasser

Der müde Jesus

Jesus hatte nicht immer Erfolg. Manchmal verstrickte er sich in Streitgespräche mit den Theologen und Schriftgelehrten. Und gerade diese Menschen wollten nichts von der seiner Botschaft hören – schade eigentlich.

Manchmal ging er diesen Konfliktsituationen auch einfach aus dem Weg. Im vierten Kapitel des Johannesevangeliums ist so eine Situation beschrieben. Als sich der Knatsch anbahnt, reist Jesus weg in einen anderen Teil des Landes. Auf der Reise wird er müde. Er ist sicher auch durstig und setzt sich an einen Brunnen am Eingang zur Stadt Sychar.

In Kirchen und Museen gibt es viele Bilder von den Höhepunkten im Leben von Jesus. Von seinen Wundern und von seinem Sterben. Ich erinnere mich nicht an ein Bild von einem müden Jesus. Wie er enttäuscht, durstig und abgekämpft am Brunnen von Sychar sitzt.

Jesus der Bauarbeiter

Jesus sitzt am Brunnen von Sychar. Plötzlich taucht eine Frau auf um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht sie an und bittet sie, ihm auch etwas Wasser zu geben. (Johannes 4.7)

Was für unsere Ohren völlig normal klingt, war zur damaligen Zeit aussergewöhnlich. Jesus hat mit dem Ansprechen dieser Frau gleich zwei Mauern eingerissen. Die erste Mauer war die Trennung zwischen Juden und Samaritanern. Die Volksgruppen waren verfeindet und normalerweise vermied man Kontakte. Die zweite Mauer war die Trennung zwischen den Geschlechtern. Es gehörte sich nicht, als Mann eine Frau öffentlich anzusprechen.

Wenn Jesus am Dorfbrunnen eine samaritanische Frau anspricht, reisst er Mauern ein und wird so sinnbildlich zum Bauarbeiter.

Gibt es in deinem Leben auch Mauern, von denen du dir wünschst, dass sie eingerissen werden? Brauchst du einen Bauarbeiter?

Hat Jesus einen Zaubertrank?

Jesus und die Frau am Brunnen von Sychar kommen ins Gespräch. Sie sprechen über Durst, Brunnen und Wasser. Plötzlich beginnt Jesus von einem Wasser zu sprechen, das mehr ist als Wasser. Er sagt: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder Durst bekommen.“ (Johannes 4.17)

Die Frau reagiert so wie ich es auch getan hätte: „Her mit diesem Zaubertrank! Dann muss ich nie wieder zu diesem Brunnen kommen um Wasser zu schöpfen.“ Dabei geht es Jesus gar nicht um einen irdischen Zaubertrank, mit dem ich mir ein angenehmes Leben machen kann. Ihm geht es um das Lebenswasser, das schon im Psalm 1 geschrieben steht: „Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bingt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht.“

Was ist dein grösster Durst?

Die Frau am Brunnen von Sychar fragt Jesus nach dem geheimnisvollen Wasser, von dem man nicht mehr durstig wird. Jesus antwortet ihr: „Gut, dann geh und rufe deinen Mann.“ (Johannes 4.16)

Hat Jesus die Frage nicht verstanden? War er gedanklich abwesend und plaudert einfach irgendetwas daher? Warum gibt er der Frau keine Antwort, sondern stellt so eine Frage?

Jesus hat schon verstanden. Er will der Frau erklären, was es mit dem lebendigen Wasser auf sich hat. Er beginnt aber nicht mit einer theologischen Abhandlung über Lebenswasser, sondern beginnt an dem Ort, wo die Frau steht. Er spricht ein Thema an, das die Frau in ihrem Leben beschäftigt. Sie hat keinen Mann. Fünf Mal war sie verheiratet, und jedesmal ist die Beziehung wieder auseinander gebrochen. Die Sehnsucht dieser Frau ist die Sehnsucht nach einer verlässlichen von Liebe getragenen Beziehung. Mit seiner Frage zielt Jesus auf diese Sehnsucht im Leben dieser Frau.

Bevor Jesus die Antwort gibt, stellt er die Frage. Bevor er vom Lebenswasser spricht, fragt er die Frau nach ihrem grössten Durst.

Was ist dein grösster Durst?

Ein Schweizer Getränkehersteller fragt in der Werbung: „Welche Farbe hat dein Durst?“

Ich glaube dass wir alle unterschiedlichen Durst haben – und auch, dass sich unser Durst immer wieder verändert. Was ist dein Durst Heute?

Eine Farbe von Durst könnte zum Beispiel der Durst nach Anerkennung sein. Das Bedürfnis, dass mir jemand auf die Schulter klopft und applaudiert.

Anerkennung ist meistens mit Leistung verbunden. Ich werde geliebt, weil ich gute Noten habe, weil ich erfolgreich bin, weil ich mich anstrenge.

Ist die Farbe deines Durstes, der Durst nach einer Liebe ohne ein „weil“?

Liebe ist schön!

Ein „Rüebli“ zu finden, dass perfekt in die eigenen Windungen passt. Innig verschmolzen, alle Bedürfnisse befriedigt, der Durst gestillt – Das ist Glück!

Ich glaube, dass wir Menschen in einer einer gesunden Paarbeziehung, viel von unserem Durst nach Liebe und Anerkennung stillen können.

Wenn ich aber vom Partner erwarte, dass er mir mein Lebensglück garantiert, dass er mir meinen tiefsten Durst stillt, dann überfordere ich ihn. Wir sind Menschen und tragen Licht und Schatten in uns. Liebe ist schön, aber wir sind nicht perfekt. Darum glaube ich, dass die tiefste Quelle, die meinen Durst stillt, von Gott kommen muss. (Bild: photocase.com)

Quelle oder Tümpel?

Im Gespräch mit der Frau am Brunnen von Sychar sagt Jesus folgendes: „Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zu einer Quelle werden, die unaufhörlich fliesst, bis ins ewige Leben.“ Johannes 4.14

Das frische Quell-Wasser ist gesundes geistliches Leben, dass aus einer direkten Gotteserfahrung kommt. Ein ehrliches Gebet, in dem ich Gott mein Herz ausschütte, ist so eine Erfahrung. Von ihm in einem Lied berührt zu werden, seine Kraft zu spüren, klar zu sehen und Veränderung zu erleben sind andere Möglichkeiten Gott zu begegnen.

Gott zu erleben ist eine überwältigende Erfahrung, ich kann sie nicht fassen und aufbewahren. Wenn ich das trotzdem tue, wird das frische Wasser bald einmal zu einem trüben Tümpel. Meine Gebete werden mechanisch, meine Frömmigkeit stur und meine Liebe kühl. Mein Glaubensleben wird algenverhangen und stinkend.

Was für einem Wasser gleicht dein Glaubensleben?

Quelle oder Tümpel?

Frisch von der Quelle

Stell dir vor, du würdest zum ersten Mal in deinem Leben das Matthäusevangelium lesen. Du würdest mitleiden, als Jesus gefangen genommen wird. Und als er stirbt, wärst du richtig traurig – du würdest nicht damit rechnen, dass die Geschichte weiter geht. Und beim Lesen der Auferstehungsberichte wärst du echt erstaunt und würdest dich wundern, wie denn das möglich ist.

Ein Freund von mir hat mit einer Gruppe von Menschen, die noch nie etwas von Jesus gehört haben, einen Film über das Leben von Jesus angeschaut. Als Jesus starb weinten einzelne. Und bei der Auferstehung gab es einen Applaus!

Frisches Quell-Wasser ist:

Lesen, als wäre es das erste Mal!

Vertrauen, als hättest du keine Erfahrung!

Glauben, als gäbe es keine Tradition!

Beten, als würdest du Gott zum ersten Mal ansprechen!

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