3: Gottes Name

Nie vergesse ich den Hauswart am Primarlehrerseminar in Thun. Mit einem einfachen Trick hatte er alle Sympathien auf seiner Seite: Er lernte die Namen aller 150 Schüler auswendig. Wo immer ich ihm begegnete, er sprach mich mit Namen an. Um als Primarlehrer im Klassenzimmer zu überleben, ist diese Lektion des Hauswartes entscheidend: Kenne die Namen!

Stell dir den Pausenplatz eines Schulhauses mit einer Horde von raufenden Kindern vor. Einer der Rädelsführer packt den Rucksack eines anderen und will ihn in den Bach werfen. Er holt zum Wurf aus. Du hast zwei Möglichkeiten zu reagieren:

A: Du sagst: „He, du da im roten Pulli, lass das!“

B: Du sagst: „Marcel, lass das!“

Der Name ist der Zugangscode zu einer Person. Wenn du eine Beziehung aufbauen willst, dann musst du zuerst den Namen kennen. Angenommen, du möchtest mit Gott in eine Beziehung treten, welche Variante wählst du:

A: Du sagst: „He, du da in der Unendlichkeit, irgendwo da draussen!“

B: Du sagst: „Unser Vater im Himmel!“ (Matthäus 6.9)

Wähle deinen Namen – die Chance des Internets:

Der Name, den wir von unseren Eltern erhalten haben, konnten wir nicht selbst wählen. Nur in seltenen Fällen sagt er auch etwas über unsere Persönlichkeit aus. Mein Name zum Beispiel bedeutet „Pferdefreund“. Sobald ich einen grösseren Garten habe, werde ich mir so ein Tier zulegen, aber bis dahin hat mein Name keine Bedeutung.

Anders ist es bei Namen, die wir uns selber geben. Hier wählen wir bewusst und versuchen etwas von unserer Persönlichkeit hineinzulegen. Der Name, soll etwas über uns selber aussagen. Interessant zu lesen ist dazu der Artikel von Evelina Bühler-Ilieva auf Facts.ch. Sie spricht mit einer Frau, die sich in Online-Profilen verschiedene Namen gab: Sommersprosse, Seagirl, Siobhan, Starshine, Lunerouse, Schamanin, Schneekönigin und Comanchin. Jeder Name hatte eine unterschiedliche Wirkung auf andere und drückte jeweils einen Teil ihrer Persönlichkeit aus.

Was für Online-Namen hast du dir selber schon gegeben, und was wolltest du mit ihnen ausdrücken?

Unter welchem Nicknamen würde sich Gott heute einloggen, um mit dir zu chatten?

In der Bibel finden wir eine schier unendliche Fülle von Gottes Nicknamen. Vielfältig, ausdrucksstark, kreativ und alles andere als langweilig. Das ist einer der Schätze, den der christliche Glaube zu bieten hat.

Wie gehen wir normalerweise mit teuren Geschenken um?

Stell dir einen 18-Jährigen vor, der von seiner bestandenen Autoführerprüfung nach Hause kommt. Bisher durfte er nur mit dem alten Toyota seine Lernfahrten absolvieren. Jetzt aber drückt ihm sein Vater den Schlüssel des schönen BMWs in die Hand und sagt: „Gratuliere zur bestandenen Prüfung! Schau, dass er morgens um 7 Uhr wieder in der Garage steht, ich brauche ihn zum arbeiten.“

Ich nehme an, dass er sehr vorsichtig rückwärts aus der Garage manöveriert. Er will keinen Kratzer machen. Zuerst fährt er lieber 45 Km/h statt den erlaubten 50 Km/h. Später, auf der Autobahn bei guter Sicht, wird er zum ersten Mal richtig aufs Gas drücken. Er will das Vertrauen des Vaters nicht enttäuschen und den Wagen ganz zurückbringen.

Es ist doch so: Zu wertvollen Geschenken trägt man Sorge. Das ist für mich der Kern des dritten Gebotes: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen!“ 2. Mose 20.7

Im Namen Gottes

Was heisst das, den Namen Gottes missbrauchen?

In einem Kraftausdruck gedankenlos Gottes Namen anzurufen ist das eine – aber ist das alles?

„Es ist ein Missbrauch, wenn wir von Gott reden, als hätten wir ihn jederzeit zur Verfügung und als hätten wir in seinem Rat gesessen.“ So drückte es Dietrich Bonhoeffer aus. Diese Definition erfasst den „frommen“ Missbrauch von Gottes Namen. Wenn ich Gottes Namen benutze um egoistische Ziele zu verfolgen.

Wie oft muss Gottes Namen herhalten, um…

…eigene Wünsche durchzudrücken?

…andere unter Druck zu setzen?

…an eine Frau zu kommen?

…Kirchenpolitik zu betreiben?

…Spendenströme zu dirigieren?

…Streitgespräche zu gewinnen?

…Kriege anzuzetteln?

Das dritte Gebot setzt eine Grenze: Gottes Namen nicht missbrauchen. Wenn ich mich nun nur auf diese Grenze fixiere, verfehle ich den eigentlichen Sinn des Gebots. Vor der Grenze liegt ein weites Land mit vielen saftigen Wiesen und fruchtbaren Plantagen. Es ist die Vielfalt von Gottes Namen. Die positive Aufforderung im dritten Gebot lautet: Sprich Gott in vielen Namen an. Mit „Unser Vater im Himmel“ ist noch lange nicht alles über Gott gesagt. Gott ist viel mehr, viel reichhaltiger und viel tiefer, als wir gewöhnlich erahnen.

Eine Erfahrung mit der Vielfalt von Gottes Namen machte ich vorletzte Woche. Nach einem bösen Traum erwachte ich mitten in der Nacht. Die Angstgefühle kochten immer noch. Ich wollte beten und setzte mit einem „Himmlischer Vater…“ an. Da dachte ich an das dritte Gebot mit der Aufforderung, Gott in vielen Namen anzusprechen. Der erste Namen Gottes, der mit in dieser Nacht in den Sinn kam, war „Herr der Herrscharen“. Also begann ich mein Gebet mit dieser Anrede. Ich staunte, was diese Worte für eine Kraft haben. Indem ich Gott als „Herr der Herrscharen“ ansprach, sah ich vor meinem inneren Augen die himmlischen Herrscharen: Engel, mächtige Boten Gottes. Und mit diesem Bild die Worte aus Psalm 91.11: „Denn Gott hat seine Engel ausgesandt, damit sie dich schützen, wohin du auch gehst.“

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