Warum lügen wir?
Wir lügen, weil wir gerne jemand anderes sein wollen. Ich zum Beispiel möchte weltgewandt, intelligent, stark und belastbar sein. Ungefähr so wie Superman. Wenn nun die harten Realitäten des Alltags auf mein Super-Ego treffen, ist der schöne Lack schnell weg. In Wahrheit bin ich nämlich auch vergesslich, zerbrechlich, überfordert und weiss manchmal nicht einmal ob man „Bibel“ mit „ie“ schreibt oder nicht. Die Lüge bietet sich als „Lack-Ausbesserer“ an meiner Fassade an. Nicht, dass ich um zu prahlen von meiner Reise nach Ouagadougou erzähle, das wäre eine zu auffällige Lüge. Aber, dass ich doch mehr als mir lieb ist, an der Wahrheit herumschraube, damit ich nicht allzu lächerlich dastehe.
Hier ein paar gängige Wahrheitsverdrehungen:
„Ich habe es verschlampt“ wird zu „ich habe gerade so viel um die Ohren“.
„Ich habe nur die erste Seite gelesen“ wird zu „Ich habe mir den Überblick verschafft“.
„Mich gurkt das an“ wird zu „Ich möchte dir echt gerne helfen, aber…“.
„Ich habe keine Ahnung“ wird zu „Dieses Thema beschäftigt mich schon lange und ich habe ausführlich darüber nachgedacht…“.
Wie lauten deine Lieblingslügen?
Die Wahrheit sagen und doch lügen
Ja das geht. Im Primarlehrerseminar gab es ein Klassenbuch, in dem ich bei jeder Absenz eine Begründung notieren musste. Dort half ich mir manchmal mit folgender Formulierung: „Ich war nicht auf dem Damm.“ Das lässt sich herrlich zweideutig verstehen. Als Redewendung beschreibt es einen kränklichen Gesundheitszustand. Wörtlich verstanden hingegen der Aufenthalt auf einem richtigen Damm, so wie es in Holland viele gibt.
Wahrheit ist persönlich
Wahrheit ist kein System von Regeln, sondern eine Person. Das behauptet Jesus, wenn er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ (Johannes 14.6)
Deswegen sind die vier ersten Bücher des Neuen Testaments keine theoretischen Abhandlungen, sondern spannende Berichte aus dem Leben von Jesus. Wie er sprach, wie er sich ereiferte, wie er ass, wie er half, wie er feierte, wie er heilte, wie er liebte, wie er starb und wie er auferstand. Jesus ist das Vorbild und sein Leben der Massstab. Darum komme ich mit der Frage „Was würde Jesus in dieser Situation tun?“ weiter als mit der Frage „Was ist richtig oder falsch?“
Hier übrigens noch ein spannender Beitrag zum Thema. (keine Werbung)
Bilder die Lügen
In einer Ausstellung im Museum für Kommunikation in Bern wurde eine Serie von Bildern gezeigt, die ein falsches Bild der Wirklichkeit vermitteln, weil sie nur einen Ausschnitt zeigen. Besonders eindrücklich ein Bild von amerikanischen Soldaten, die einem Iraker Wasser aus einer Flasche zum trinken geben. Während des Trinkens wird der Iraker aber bewacht und ein Soldat zielt mit seinem Gewehr auf ihn. Wenn jeweils nur ein Ausschnitt des Bildes gezeigt wird, kippt die Bildaussage entweder ins Bedrohliche oder ins Hilfreiche. Beides entspricht nicht der Wahrheit.
Auch wenn wir keine Fotoreporter sind, verbreiten wir doch täglich Bilder von anderen Menschen. Wir erzählen, tratschen, lästern, beeinflussen und manipulieren durch die Art wie wir über andere sprechen.
Was für ein Bild von deinem Arbeitskollegen vermittelst du, wenn du zu Hause über ihn sprichst?
Was für ein Bild vom Chef zeichnest du, wenn du in der Kaffeepause am lästern bist?
Ist es jeweils die ganze Wahrheit über die andere Person, oder nur ein Ausschnitt, der zur Lüge wird?
Nichts sagen und doch lügen
Es ist Nacht. Jesus betet im Garten Gethsemane vor den Toren Jerusalems. Da kommt Judas auf ihn zu. Judas und Jesus sind Freunde. Die Begrüssung ist sehr herzlich. Judas gibt Jesus einen Kuss. Was von aussen freundlich aussieht, ist in Wahrheit eine Lüge. Der Kuss ist Verrat. Judas führt einen Schlägertrupp mit sich. Sie sollen den festnehmen, den er küsst. Mit dem Kuss liefert Judas seinen besten Freund an die Feinde aus.
Mut zur Aufrichtigkeit
Wie würdest du das 9. Gebot „Du sollst nicht lügen!“ positiv formulieren?
„Leg die Masken ab und sei wie du bist!“ lautet eine meiner Varianten. Damit will ich sagen, dass ein aufrichtiger Lebensstil mehr ist, als nur die Lügen zu vermeiden. Es bedeutet für mich auch, dass ich mich aktiv um einen offenen und ehrlichen Umgang mit anderen entscheide.
Ein Gespräch zwischen zwei Menschen kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Eine Aussage wie „Der SCB hat wieder gewonnen!“ ist zwar schön, aber liegt auf einer eher oberflächlichen Ebene. Mehr von sich selbst offenbart eine Person, wenn sie sagt: „Ich habe Angst, dass ich eine schwere Krankheit bekomme.“ Ehrlichkeit heisst für mich, dass ich hin und wieder in einem Gespräch die Oberfläche verlasse und dem anderen einen Blick in mein Inneres gewähre.